79 Min. I 2021 I Regie: Reinhild Dettmer-Finke I FSK 12
Dokumentarfilm über Menschen in einer psychiatrischen Anlaufstelle – ein berührend respektvolles Porträt eines engagierten Projekts, das unbedingt Schule machen sollte!
Die Freiburger Hilfsgemeinschaft ist eine Anlaufstelle für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung. Im Gegensatz zu einer klinischen Betreuung ist hier der Aufenthalt freier und von einer Medikation losgelöst. Doch wie funktioniert der Alltag in einer solchen Einrichtung? Finden die Menschen, die sie aufsuchen dort Hilfe und Alltagsstruktur? Der beeindruckende Dokumentarfilm von Reinhild Dettmer-Finke begleitet als Langzeitbeobachtung die Menschen der Hilfsgemeinschaft und begegnet ihnen mit einem offenen, respektvollen Blick, der ihre eigene Sicht auf ihre Beeinträchtigung verständlich vermittelt.
Schon von Beginn des Films an spürt man das vertrauensvolle Verhältnis, das das Filmteam rund um die Regisseurin Dettmer-Finke zu den Menschen in der Anlaufstelle aufgebaut hat. Ohne Berührungsängste oder Scham sprechen die Menschen offen über ihre psychischen Beeinträchtigungen, die sie am „normalen“ Leben nicht mehr haben teilnehmen lassen. Menschen wie Olli, der bei der Post gearbeitet hat, dann aber aufgrund seiner Krankheit nicht mehr arbeiten konnte. Doch jetzt arbeitet er in der Anlaufstelle und ist ein wichtiges Bindeglied zwischen der Leitung und den Betroffenen. Er repariert Dinge, gibt Essen aus, spricht über seine Probleme und die Anliegen anderer – und fühlt sich wohl dabei. Genau wie Sarah, die bei ihrer Arbeit in der Küche und am Kaffeetresen die Struktur findet, die sie braucht, um ihren Alltag meistern zu können. Dettmer-Finke macht deutlich, dass das, was hier geschieht, etwas Positives ist, etwas, das Halt gibt. Doch sie und Kameramann Ingo Behring lassen die Kamera auch laufen, wenn in der Gruppe eine hitzige Diskussion über Medikation entbrennt. Oder wenn es schwermütige Momente gibt, wenn Menschen sich alleine oder verloren fühlen. Wenn sie um andere Menschen trauern und ihre Probleme kreativ verarbeiten. Wie „Flora Florenz“, die als Poetin und Sängerin in berührenden Gitarrenkompositionen ihre Erfahrungen mit Klinikaufenthalten besingt. IRRE ODER DER HAHN IST TOT ist ein ruhiger, beobachtender Film. Der durch jene Ruhe beim Zusehen Nähe entstehen und dazu ein sensibles Gespür für die Protagonist:innen erkennen lässt. So wird aus dem Film ein Porträt von Menschen in einer Einrichtung, das von Empathie und großem Respekt zeugt.